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Halbfinale gegen Deutschland Warum Norwegens Handballer so gefährlich sind

Geniale Übersicht und stark im Abschluss: Sander Sagosen ist ein Handballer ohne Schwächen und Norwegens Anführer. Doch der Halbfinalgegner der Deutschen ist keine Einzelshow - und das macht ihn so unberechenbar.
Jubelnde Norweger

Jubelnde Norweger

Foto: Petter Arvidson/ dpa

Plötzlich mussten die norwegischen Handballer doch noch einmal zittern. Das Team saß im Mannschaftshotel in Herning bereits auf der Couch, als Schweden seinen Vorsprung gegen das bis dahin noch ungeschlagene Dänemark auf drei Tore ausgebaut hatte. Wäre in diesem Moment die Schlusssirene ertönt, Norwegen wäre ausgeschieden.

Aber es war eben erst die 24. Minute, und am Ende siegte Dänemark doch. Dadurch hatte sich der Co-Gastgeber der Weltmeisterschaft den ersten Platz in der Gruppe II der Hauptrunde gesichert, im Halbfinale geht es gegen Frankreich. Norwegen zog dank der Schützenhilfe als Zweiter vor Schweden ebenfalls ins Halbfinale ein. Hamburg statt Heimreise. Dort wartet das deutsche Team (20.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE).

Bislang wurden alle norwegischen WM-Spiele in Dänemark ausgetragen, und die wenigsten Handballfans in Deutschland dürften die bisherigen Auftritte des aktuellen Vizeweltmeisters komplett verfolgt haben. Also, was kann das Team eigentlich?

Der Star der Mannschaft

Sander Sagosen

Sander Sagosen

Foto: RITZAU SCANPIX/ REUTERS

Sander Sagosen ist das Symbol einer aufstrebenden Handballnation, und obwohl er erst 23 Jahre alt ist, gehört er mit mehr als 80 Länderspielen schon zu den erfahrensten Profis im Kader.

Der Rückraumspieler gibt dem Team den Takt seit der Vizeweltmeisterschaft 2017 vor, er leitet die Angriffe ein und setzt die Teamkollegen in Szene. Aktuell steht Sagosen bei 35 Torvorlagen, das ist der zweitbeste Wert bei der WM und es sind noch einmal sieben Assists mehr als Deutschlands bester Vorlagengeber Fabian Wiede bisher geliefert hat.

Die Übersicht zeichnet Sagosen aus, sie macht ihn zu einem starken Spieler. Ein absoluter Superstar ist er allerdings deswegen, weil er auch noch torgefährlich ist und fast aus jeder Lage den Abschluss sucht (71 Würfe), ob aus neun Metern oder nach Eins-gegen-eins-Situationen am Kreis.

Bisher erzielte Sagosen 42 WM-Treffer, genauso viele wie Uwe Gensheimer, mit dem Sagosen zusammen im Verein bei Paris Saint-Germain spielt. Gensheimer sagt über den Halbfinalgegner: "Sie sind stark im Eins-gegen-Eins, spielen sehr, sehr schnell nach vorne." Damit dürfte er auch Sagosen gemeint haben. Aber nicht nur ihn.

Team statt Einzelshow

Sagosen mag der Kopf dieser Mannschaft sein, leicht berechenbar ist der Gegner deswegen nicht. "Sie kommen wie wir über den Teamgeist", sagt Bundestrainer Christian Prokop vor dem Duell, und Andreas Wolff ergänzt: "Die Außen sind echt tricky."

Magnus Jøndal

Magnus Jøndal

Foto: Petter Arvidson/ dpa

Einer dieser Außen ist Magnus Jøndal (SG Flensburg-Handewitt), einer von insgesamt zehn Bundesligaspielern im 16er-Kader. Jøndal hat bei dieser WM 46 Treffer (14 davon per Siebenmeter) erzielt - bei nur 51 Würfen. Das entspricht einer beeindruckenden Erfolgsquote von 90 Prozent.

Das Problem aus DHB-Sicht: Wenn Deutschlands Keeper Wolff bei dieser WM Schwächen gezeigt hat, dann bei Würfen von außen. Bisher hat die Nummer eins der Deutschen nur jeden fünften Wurf von diesen Positionen abwehren können, von allen gesetzten Halbfinalkeepern weist er in dieser Kategorie den schwächsten Wert auf. Wolff gegen Jøndal - es könnte ein Schlüsselduell am Abend werden.

Kapitän des Teams ist der inzwischen 36 Jahre alte Bjarte Myrhol, der knapp neun Jahre in der Bundesliga für Nordhorn und die Rhein-Neckar Löwen gespielt hat. Ein routinierter Kreisläufer, der auch symbolisch für eine weitere Stärke der Norweger steht.

Schnell, schneller, Norwegen

Bjarte Myrhol

Bjarte Myrhol

Foto: JONATHAN NACKSTRAND/ AFP

Das Team ist auch deswegen so schwer berechenbar, weil es sein Spiel nicht ausschließlich über Sagosen aufzieht. Norwegen spielt eher verdammt schnell nach vorne, bisher kommt das Team auf 66 Tore nach Umschaltsituationen. Das sind nur sechs Treffer weniger, als Deutschland und Dänemark zusammen per Konter erzielt haben (beide 36 Treffer). Myrhol ist mit elf Treffern bei zwölf Versuchen der erfolgreichste Konterschütze seiner Mannschaft. Einfache Ballverluste können gegen Norweger spielentscheidend sein.

Was für die deutsche Mannschaft spricht? Die WM hat gezeigt, dass sich die DHB-Auswahl auf ihre Gegner gut vorbereitet und deren Stärken zum Erliegen bringen kann. Frankreichs wurfgewaltiger Rückraum war in der Vorrunde nur selten zum Zug gekommen gegen die starke deutsche Abwehr mit Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler. Auch Kroatiens Superstar Domagoj Duvnjak blieb im Hauptrundenduell eher ungefährlich.

Bundestrainer Prokop und sein Team bekommen nun eine neue harte Prüfung gestellt, denn Norwegen hat nicht die eine Stärke sondern gleich mehrere. Wolff sagte schon ganz passend: "Es wird ein schwieriges Spiel, da kann alles passieren. Es ist ein WM-Halbfinale."